Financial Literacy

Was braucht es, um finanziell gebildet zu sein?

Immer wieder verlieren Menschen bei riskanten Finanzinvestments viel Geld, zuletzt etwa durch die Investition in Bitcoins zum falschen Zeitpunkt. Auf der anderen Seite verlieren Menschen aber auch Geld, wenn sie (zu) risikoscheu sind, ausschließlich in niedrigverzinste Finanzprodukte investieren und auf mögliche höhere Renditen verzichten. Ein finanziell gebildeter Mensch müsste in der Lage sein, eine aus ökonomischer Sicht sinnvollere Entscheidung zu treffen. So definiert etwa die OECD Finanzbildung als jene Kombination aus Wissen, Bewusstsein, Fähigkeiten, Einstellungen und Verhaltensweisen, die für sinnvolle finanzielle Entscheidungen notwendig sind.

In diesem Beitrag wird diskutiert, was es braucht, um in diesem Sinne (zumindest einigermaßen) finanziell gebildet zu sein.

Was das Wissen betrifft, konzentrieren sich Finanzwissenstests häufig vor allem auf Fragen zu Zinsen und Zinseszinsen, Geldwert und Inflation sowie Risikodiversifikation. Aber viele weitere Inhalte sind denk- und begründbar. Denn um beispielsweise das Risiko von Bitcoin oder von Unternehmensanleihen einschätzen zu können, braucht es im einen Fall Wissen über Währungen und Währungssubstitute, insbesondere Kryptowährungen, und über deren Kursbildung und Volatilität, im anderen Fall Kenntnisse über Anleihen und deren Besicherung. Die Fähigkeit, die Bonität eines Anleihenschuldners anhand des Jahresabschlusses zumindest grob einschätzen zu können, ist ebenfalls förderlich.

Und das sind erst zwei Beispiele für mögliche finanzielle Entscheidungen.

Dazu kommen noch finanzielle Problemstellungen im Bereich des Haushaltsbudgets, der Kontoführung, der Finanzierung, der Vorsorge und der Absicherung gegenüber finanziellen Risiken. Es erscheint unrealistisch, dass jemand, der sich nicht hauptberuflich intensiv mit diesen Themen beschäftigt, über das gesamte Wissen verfügen kann, das man für das Verständnis und die Beurteilung von allen verfügbaren Finanzprodukten benötigt. Bestimmte Grundlagen und Grundregeln sollten allerdings beherrscht werden, damit man finanzielle Problemstellungen und den eigenen Informationsbedarf erkennen und gut überlegt entscheiden kann.

Und leider hapert es schon oft bei den Grundlagen …

Eine Analyse der Österreich-Daten der OECD-Studie Measuring Financial Literacy, die durch die Oesterreichische Nationalbank Ende 2014 erhoben worden waren, ergab, dass die Erwachsenen in Österreich schon bei viel konventionelleren Finanzthemen als z.B. Kryptowährungen Probleme haben. So zeigen sich bei einfachen Fragen zu den Auswirkungen der Inflation auf die Kaufkraft und zum Prinzip der Risikostreuung bei 30-40 % der Befragten Wissenslücken. Besonders gering war die Lösungsquote bei den Fragen, die sich auf die Änderung des Wechselkurses (und eine damit verbundene Änderung der Höhe eines aushaftenden Fremdwährungskredites), auf Zinseszinsen nach fünf Jahren und auf den Zusammenhang zwischen einer Änderung des Zinsniveaus und dem Anleihenkurs bereits begebener Anleihen beziehen. Selbst diese Fragen stellen noch Grundlagen- und keineswegs Expertenwissen dar und wären bei einer Reihe von finanziellen Entscheidungen relevant, die Österreicherinnen und Österreicher tagtäglich treffen.

Wir brauchen daher grundlegende finanzielle Bildung in der Schule, damit es allen Schülerinnen und Schülern – unabhängig von ihrem Elternhaus – möglich ist, finanzielle Problemstellungen zu erkennen, ihr eigenes Wissen dazu realistisch einzuschätzen und auf der Grundlage des vorhandenen Wissens und allenfalls eingeholter Informationen eine gut begründete Entscheidung zu treffen. Derzeit wird Finanzbildung hauptsächlich von der familiären Sozialisation geprägt. Eine solide, umfassende Finanzbildung basiert aber vielmehr auf einem Zusammenspiel von entsprechenden Verhaltensweisen der Eltern und der Förderung von Finanzwissen und bestimmten Fähigkeiten zu Finanzplanung und -management in der Schule. Überlässt man Finanzbildungsbemühungen gänzlich dem Elternhaus, dann bedeutet das – wie Lusardi (Business Time 2012) schon festgestellt hat –, dass „we are accepting that we have an unequal society“.

 

Quelle: Greimel-Fuhrmann, B. (2018): Ist es (un)möglich, finanziell gebildet zu sein? In: bwp@ Spe­zial AT-1: Wirtschaftspädagogische Forschung und Im­pulse für die Wirtschaftsdidaktik – Beiträge zum 12. Österreichischen Wirtschaftspädagogik­kongress, 1-16. Online: http://www.bwpat.de/wipaed-at1/greimel-fuhrmann_wipaed-at_2018.pdf (13.09.2018).

Autor*in

Bettina Fuhrmann

Univ.-Prof. Dr. Bettina Greimel-Fuhrmann ist Leiterin des Instituts für Wirtschaftspädagogik an der Wirtschaftsuniversität Wien. Ihre Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte umfassen die Bereiche Wirtschaftsbildung mit dem Schwerpunkt Finanzbildung, Unterrichtsforschung sowie Unterrichtsmethoden, Kompetenzmessung und Kompetenzentwicklung.