Financial Literacy

Wie liest man Charts richtig?

Sie kennen sicher den Disclaimer: „Aus vergangenen Performancedaten darf nicht auf die zukünftige Wertentwicklung geschlossen werden“ – ausgerechnet das sollen Sie aber mit dem Einsatz von Charttechnik machen?! Denn hier zählen nur harte Fakten – die Börsen-Kurse der Vergangenheit. Woraus dann die Charttechnik die (wahrscheinliche) Zukunft ableitet. Kursziele, Widerstände und Unterstützungen können mathematisch berechnet werden. Verläuft der Kurs wie erwartet, bleibt der Anleger investiert. Andernfalls greift der unterhalb der Unterstützung platzierte Stopp-Kurs. Womit auch der größte Vorteil für Anleger bereits auf den Punkt gebracht ist: Disziplin.

Der Chart als Hilfe

„Verluste begrenzen“ heißt eine der goldenen Börse-Regeln. Mit einem mathematisch errechneten Ausstiegspunkt fällt die Regeleinhaltung den meisten Anlegern sicher leichter, als wenn rein der Kopf einen „Fehler“ eingestehen soll. Und Gewinne soll man natürlich laufen lassen, aber es sind schon mehr Märchenschlösser aus virtuellem Reichtum zerplatzt, als unglückliche Anleger herumlaufen, die sich „nur“ mit dem Spatz am Dach zufrieden gegeben haben. Fakt ist auch, dass die technische Analyse immer stärker Verbreitung findet – auch weil große Investoren zunehmend Computermodelle nutzen, die auf Chartmuster abstellen. Und sich gegen den Markt zu stellen, ist in den wenigsten Fällen von Erfolg gekrönt. Und warum nicht ein Hilfsmittel für Anlageentscheidungen einsetzen, welches das Chance/Risikoverhältnis einer Anlage verbessert? Und wenn es die Chance ist, einen besseren Einstiegszeitpunkt, sprich -kurs, zu finden.

Wie lese ich einen Chart?

Vorab: Sehen Sie sich den Chart des in Frage kommenden Investments über einen möglichst langen Zeitraum an. Wenn hier mit freiem Auge kein Aufwärtstrend zu erkennen ist (der Jetzt-Kurs liegt über dem Anfangskurs), dann wird das in der Regel seinen Grund haben.
Somit ist die grundsätzliche Richtung des Investments geklärt – je mehr Zeit Sie in Anlageentscheidungen investieren, desto kürzer können die zusätzlich anzusehenden Zeiträume werden. Denn auch in Aufwärtstrends gibt es Phasen der Stärke aber auch der Schwäche. Und wir alle wissen, dass vor allem der Einstiegskurs die erzielbare Rendite bestimmt. Da gibt es dann noch allerhand technische Formationen wie Flaggen, Dreiecke, Kopf-Schulter-Formationen und unzählige andere, mit denen dann die zu Beginn erwähnten Kursziele bzw. Unterstützungsmarken errechenbar sind. Doch dazu bedarf es ein wenig Erfahrung – und Zeit.

Goldenes Kreuz

goldenes KreuzVor allem an Letzterem fehlt es Ihnen? Es gibt auch eine ganz einfache Formation, die mit freiem Auge erkennbar ist: das goldene Kreuz. Dieses gilt in der Charttechnik als eines der „sichersten“ Signale und tritt ein, wenn die kürzer laufende Kurs-Durchschnittslinie die länger laufende von unten nach oben schneidet. Meistens werden der 50er- und der 200er-Schnitt gewählt. Die 50-Tage-Linie beschreibt für jeden Handelstag den Durchschnittskurs der vergangenen 50 Handelstage. Die 200-Tage-Linie beschreibt für jeden Handelstag den Durchschnittskurs der vergangenen 200 Handelstage. Liegt also die 50-Tage-Linie über der 200-Tage-Linie, zeigt der gegenwärtige Trend nach oben. Das gehört zum (kostenlosen) Standard-Repertoire der meisten Anbieter. Wir haben beim goldenen Kreuz also ein Kaufsignal für dieses Investment. Läuft das Ganze umgekehrt, heißt es Todes-Kreuz. Die kurzfristige Linie liegt unter der langfristigen. Der Trend geht also abwärts – womit es Zeit wäre, den hoffentlich erzielten Gewinn zu realisieren.

 

Autor*in

Robert Gillinger

Robert Gillinger arbeitet (nach Stationen bei Standard und WirtschaftsBlatt) beim Börse Express als Geschäftsführer und Chefanalyst. Privat interessiert er sich für gute Weine, spielt gern Schach und streift mit dem Hund durch den Wald.