Financial Literacy

Unglücklicher Trend zur Durchschnittlichkeit

Wozu soll die Schule gut sein? Zum Lernen fürs Leben. In Sachen Finanzbildung bedeutet das, die finanziellen Aspekte des Alltags zu erledigen. Das betrifft Finanzierung und Vorsorge genauso wie die Verwaltung der eigenen Mittel oder Investitionsentscheidungen. Allgemeinbildung soll es aber auch ermöglichen, die Welt in ihrer Gesamtheit zu verstehen. Dafür bedarf es natürlich einiger Kenntnisse der Physik, der Chemie, der Biologie aber unbedingt auch der Geschichte, der Kunst und Philosophie.

Höherer Stellenwert für Finanzwissen

Was man allerdings nicht vergessen darf, ist, dass das, was die Wirtschaft erwirtschaftet, erst unser soziales System, unser Gesundheitssystem, die Förderung von Kunst und Kultur und vieles mehr ermöglicht. Deshalb ist ein Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge wesentlich, um die Welt beziehungsweise die Gesellschaft in der wir leben, zu verstehen. Auch bei politischen Entscheidungen – egal ob in der direkten Demokratie wie z. B. der Brexit-Abstimmung, oder bei der grundsätzlichen Entscheidung für eine Partei – sollte es selbstverständlich sein, auch wirtschaftliche Aspekte zu berücksichtigen. Mein klarer Appell ist daher, der Vermittlung von Finanz- und wirtschaftlichem Grundwissen einen höheren Stellenwert einzuräumen.

Mittelmäßigkeit als Gefahr

Ich beobachte seit längerer Zeit – ich denke seit ca. 20 Jahren – einen sehr unglücklichen Trend zur Durchschnittlichkeit. Es geht in der Ausbildung oft nur mehr darum, durchzukommen und – irgendwie – zu bestehen. Möglichst wenig Anstrengung, möglichst wenig Druck, kein Streben mehr nach dem Besten. Man stelle sich vor, unsere Ski-Nationalmannschaft würde so handeln: Hauptsache man kommt den Berg hinunter, ganz egal ob man der Schnellste ist… Spitzenränge erzielt man mit dieser Einstellung nicht.

Wir haben in Österreich Top-Unternehmen. Sie sind deshalb an der Spitze, weil ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die besten Produkte entwickeln, erzeugen oder verkaufen – und zwar im weltweiten Maßstab. Diese Spitzenposition kann nur erhalten bleiben, wenn man auch das weltbeste Team hat. Sieht man sich aber aktuelle Pisa-Studien oder Universitäten-Rankings an, dann sind wir weit von der Weltspitze entfernt.

Förderung des Kapitalmarktes durch Spitzenleistungen

Mein zweiter Appel lautet infolgedessen: Wir müssen in unser Bildungssystem den Leistungsgedanken wieder stärker etablieren und unsere Jugend anspornen, nach Bestleistung zu streben. Nur das sichert uns langfristig jenen wirtschaftlichen Erfolg, der unser aller Wohlstand finanziert. Der Finanzplatz Österreich hat es nicht leicht. Die Politik meidet ihn, in der Ausbildung wird er vernachlässigt, er ist mit vielen Vorurteilen konfrontiert. Die S IMMO ist ein börsennotiertes Unternehmen. Ich sehe es daher als unsere Aufgabe und Pflicht, ihn zu fördern, wo wir nur können. Denn ohne Kapitalmarkt wird die Wirtschaft auf Dauer nicht funktionieren und ohne funktionierende Wirtschaft, wird Österreich auf Dauer nicht funktionieren.

 

Autor*in

Ernst Vejdovszky

Mag. Ernst Vejdovszky ist Gründungsvater der börsennotierten S IMMO AG und war bis März 2021 - mehr als 30 Jahre - im Vorstand des Unternehmens.